Internetangaben: Lediglich „öffentliche Äußerung des Verkäufers“ oder „Beschaffenheits-vereinbarung“?!
BGH: Fehlende Eigenschaft begründet nicht immer ein Sachmangel
Der BGH hat mit seinem Urteil vom 27.09.2017 klargestellt, dass sich ein Verkäufer auf einen wirksam vereinbarten Gewährleistungsausschluss berufen kann, obwohl er das Fahrzeug im Internet unzutreffend mit einer höheren Ausstattungsvariante ausgeschrieben hatte.
In dem zugrunde liegenden Fall erwarb ein gewerblicher Käufer im Jahr 2015 von einer Privatperson einen gebrauchten Opel Adam. Der private Verkäufer hatte das Fahrzeug zuvor bei mobile.de als Opel Adam „Slam“ inseriert. Bei dem verkauften Fahrzeug handelte es sich jedoch um einen Opel Adam „Jam“, der eine geringere Ausstattungsvariante als das annoncierte Model aufwies. Indem zugrunde liegenden Kaufvertrag wurde das Fahrzeug lediglich als Opel Adam, ohne Hinweis auf eine bestimmte Ausstattungsvariante (Slam oder Jam), beschrieben. Des Weiteren wurde zwischen den Parteien die Gewährleistung ausgeschlossen. Als der Käufer im Nachgang erfuhr, dass es sich entgegen der Angabe in dem Inserat um einen Opel Adam „Jam“ handelte, forderte er den Verkäufer vergeblich zur Zahlung eines Minderungsbetrags in Höhe von 2.000 € auf. Alle Vorinstanzen wiesen die auf Minderung des Kaufpreises gerichtete Klage ab.
Der BGH musste sich daher mit der Frage auseinandersetzen, worauf sich ein wirksam vereinbarter Gewährleistungsausschluss erstreckt. Dabei ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung entschieden, dass ein Gewährleistungsausschluss nicht möglich ist bei Sachmängeln, die Gegenstand einer vertraglich vereinbarten Beschaffenheitsvereinbarung oder einer Beschaffenheitsgarantie sind. Der BGH musste nunmehr entscheiden, ob dies auch für das Fehlen von Eigenschaften gilt, die der Käufer üblicherweise oder aufgrund öffentlicher Äußerungen des Verkäufers berechtigterweise erwarten darf. In den Entscheidungsgründen heißt es hierzu u.a. wie folgt.:
Zwar ist in den Fällen einer vertraglich (ausdrücklich oder stillschweigend) getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung ein daneben vereinbarter Haftungsausschluss für Sachmängel dahin auszulegen, dass er nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit, sondern nur für Mängel nach § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB gelten kann. Denn ansonsten wäre die gleichrangig neben dem Gewährleistungsausschluss stehende Beschaffenheitsvereinbarung für den Käufer - außer im Falle der Arglist des Verkäufers - ohne Sinn und Wert.
Diese Rechtsprechung lässt sich jedoch nicht auf öffentliche Äußerungen über Eigenschaften der Kaufsache im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB übertragen. Das Gesetz hat diese Äußerungen nicht mit einer Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB gleichgesetzt, sondern zählt sie zu der Beschaffenheit nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB , also zu der Beschaffenheit, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache erwarten kann
Hinsichtlich einer nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB (gesetzlich) geschuldeten Beschaffenheit kann der Verkäufer aber - wie vorstehend ausgeführt - seine Haftung durch eine vertragliche Vereinbarung grundsätzlich ausschließen. Diese gesetzgeberische Wertung spricht dafür, dass der Verkäufer grundsätzlich nicht nur seine Haftung für das Fehlen einer üblichen und vom Käufer zu erwartenden Beschaffenheit ( § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB ), sondern auch für das Fehlen von Eigenschaften ausschließen kann, deren Vorhandensein der Käufer nach den vom Verkäufer abgegebenen öffentlichen Äußerungen berechtigterweise erwarten kann.
Allein der Umstand, dass der Verkäufer im Vorfeld des Vertragsschlusses eine öffentliche Äußerung über eine bestimmte Eigenschaft der Sache im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB abgegeben hat, rechtfertigt es nicht, hieraus abzuleiten, dass sich ein umfassend vereinbarter Haftungsausschluss nicht auf die nach dieser Äußerung geschuldete Beschaffenheit erstreckt. Denn aus dem Empfängerhorizont eines verständigen und redlichen Käufers beansprucht ein im Kaufvertrag vereinbarter umfassender Haftungsausschluss Vorrang vor früher abgegebenen öffentlichen Äußerungen des Verkäufers nach § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB, die nicht einmal ansatzweise Erwähnung im Kaufvertrag gefunden haben. Maßgeblich ist der Wille der Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Ist im Kaufvertrag ein umfassend formulierter Haftungsausschluss vereinbart worden, der keine Ausnahmen vorsieht und sich damit nach seinem Wortlaut auch auf die Gewährleistungsfälle des § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB erstreckt, ist die im Vorfeld des Vertragsschlusses abgegebene öffentliche Äußerung des Verkäufers regelmäßig zeitlich und inhaltlich "überholt".
Demnach hat auch der BGH die Revision und somit den Anspruch des Verkäufers aufgrund des wirksam vereinbarten Gewährleistungsausschluss zurück gewiesen.
BGH, Urt. v. 27.09.2017- VIII ZR 271/16
BVfK Anmerkung:
In der Rechtsprechung ist allgemein anerkannt, dass Erklärungen außerhalb des Kaufvertrags wie z.B. in Internetanzeigen eine Beschaffenheitsvereinbarung begründen können. Will der Verkäufer schriftliche Aussagen aus der Phase der Vertragsanbahnung, auch aus Inseraten, nicht gegen sich gelten lassen, muss er sie klar und erkennbar widerrufen – Rechtsprechung zum alten Kaufrecht – oder nach der Entscheidung des BGH, einen wirksamen Gewährleistungsausschluss vereinbaren. Ist ein solcher zwischen den Parteien verabredet, kommt es für die Frage der Wirksamkeit einer solchen Abrede darauf an, ob Angaben in dem jeweiligen Inserat Teil einer Beschaffenheitsvereinbarung, oder „nur“ eine öffentliche Äußerung des Verkäufers darstellen. Ist letzteres der Fall, steht der BGH mit seiner aktuellen Entscheidung auf dem Standpunkt, dass sich ein (umfassender) Gewährleistungsausschluss gegen die öffentliche Äußerung durchsetzt. Dies gilt aber nur für die Fälle, in denen der Kaufvertrag einen umfassenden Gewährleistungsausschluss enthält, was bei einem Verbrauchsgüterkauf nicht möglich ist.
Praktische Bedeutung hat diese Entscheidung in erster Linie für Geschäfte zwischen Unternehmern. Der BGH tendiert offenbar dazu, dass sich ein Verkäufer nicht an einer falschen Inseratsangabe festhalten lassen muss, sofern er sich bei Vertragsschluss wirksam von einer Haftung freigezeichnet hat. Für den Verkauf an einen Privaten dürfte das Urteil wenig Einfluss haben. Es spielt in diesem Fall keine Rolle, ob eine Internetbeschreibung des Fahrzeugs als „öffentliche Äußerung“ oder als „Beschaffenheitsvereinbarung“ qualifiziert wird. Sofern die Beschreibung unzutreffend ist, werden in beiden Konstellationen grundsätzlich Gewährleistungsansprüche ausgelöst, die gegenüber einem Verbraucher nicht von vornherein ausgeschlossen werden können.
M. Gross
BVfK-Rechtsabteilung
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